Der Alltag verlangt uns viel ab und wir sind immer seltener im Moment. Gerade erst angekommen, sind wir gedanklich schon beim nächsten Schritt. Selten tun wir das, was wir tun, bewusst. Meistens sind wir schon ein Stück weiter im Kopf. Gerade essen wird dann häufig dauerhaft zur Nebensache. Hier eine Übung für den Alltag, um wieder mehr bewusst zu genießen.
Inhaltsverzeichnis
Eine kleine Anleitung mit dem Apfel
Reflexion: Wie ging es dir dabei?
Eine kleine Anleitung mit dem Apfel
Diese Übung soll dir helfen beim Essen wieder mehr Ruhe, Sinnlichkeit und Verbundenheit zu spüren. Sie eignet sich wunderbar, um kleine Pausen in den Alltag zu integrieren und wieder bewusster und aufmerksamer zu essen. Du und deine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt. Wie fühlst du dich? Wie fühlt es sich an, jetzt bewusst zu sein?
Mit allen Sinnen wahrnehmen
Erlebe Sinn für Sinn dein Leben neu. Schärfe deine Wahrnehmung und gewinne mehr innere Ruhe und Stärke durch Achtsamkeit und Sinnlichkeit im Alltag.
Fühlen: Entdecke den Apfel neu
Nimm einen Apfel (oder ein anderes Stück Obst, Gemüse etc.) bewusst in die Hand. Stell dir vor, du würdest ihn zum allerersten Mal sehen und das ganz ohne Vorerfahrungen oder Bewertungen.
Welchen Eindruck macht er auf dich? Löst er irgendwelche Gefühle oder Erinnerungen aus? Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du ihn in die Hand nimmst? Wie fühlt er sich in deiner Handfläche an? Drehe den Apfel langsam in deinen Händen und erforsche, ob du kleine Unebenheiten spürst? Wie fühlt sich die Schale an? Ist sie glatt oder leicht strukturiert? Schließe nun einmal deine Augen und erforsche, ob sich der Apfel dann anders anfühlt. Drücke ihn jetzt ganz leicht zusammen und beobachte: Bleibt er fest? Gibt er nach? Nimm alles einfach wahr, ohne es zu bewerten.
Was denkst du, würde ein neugieriges Wesen von einem anderen Stern denken, wenn es diesen Apfel zum ersten Mal sieht? Erlaube dir, für einen Moment wie ein Kind zu staunen und ganz wertfrei zu sein.
Sehen: Schau dir den Apfel genau an
Betrachte die Oberfläche des Apfels ganz genau, so als würdest du das erste mal einen Apfel wahrnehmen.
Welche Farbtöne kannst du erkennen und welche Struktur hat die Oberfläche? Gibt es feine oder grobe Übergänge? Wie sieht der Stiel aus und wie der Blütenansatz? Hat er irgendwo kleine Dellen oder Einkerbungen? Was kannst du alles mit den Augen erforschen?
Nimm dir Zeit und lass alle anderen Gedanken los. Sei vollkommen im Moment und bei deinem Apfel.
Riechen: Nimm das Aroma wahr
Halte den Apfel nun an deine Nase und beobachte, ab wann du was riechen kannst. Dann beobachte, was du riechen kannst. Vielleicht riechst du schon ein fruchtiges Aroma – oder vielleicht fast nichts? Beides ist völlig in Ordnung, denn es geht nur darum, bewusst wahrzunehmen. Wenn du die Übung öfter machst, wirst du erkennen, dass jeder Apfel anderes ist. Wenn du magst, kannst du den Apfel auch aufschneiden und das Fruchtfleisch riechen und erforschen.
Schmecken: Dein bewusster erster Biss
Bevor du hineinbeißt, streiche mit dem Apfel sanft über deine Lippen. Berühre die Lippen zuerst mit der Schale und dann mit dem Fruchtfleisch. Kannst du schon was schmecken, obwohl du ihn noch gar nicht direkt im Mund hast? Fühlt sich der Apfel auf deinen Lippen anders an als in deinen Fingern? Dann nimm einen ersten Biss und fühle, wie er sich auf deiner Zunge, auf deinem Gaumen und auf deinen Zähnen anfühlt. Schmecken die unterschiedlichen Konsistenzen des Apfels anders? Ist der Apfel saftig, süß, sauer, frisch oder mild? Welche Nuancen kannst du entdecken und was hast du noch niemals zuvor wahrgenommen? Spürst du deine Zunge, wie sie den Apfel im Mund hin und her schiebt?
Kaue so oft es sich für dich gut anfühlt und schenke jedem Bissen die gleiche Aufmerksamkeit. Schlucke den Bissen achtsam hinunter und fühle, wie sich die Speiseröhre bewegt. Nimm alles wahr, was in den Moment in deinem Körper passiert.
Hören: Höre den Apfel in dir
Beim nächsten Biss konzentrierst du dich ganz auf das Geräusch, das der Apfel macht, wenn du von ihm abbeißt. Wie hört sich die Schale an und welche Geräusche machen deine Zähne?
Wie klingt es, wenn du in den Apfel hineinbeißt? Schmatzt du oder hörst du den Saft aus dem Fruchtfleisch heraustreten? Wie hört er sich an, wenn das Stück noch größer ist und wie, wenn es immer kleiner wird? Kannst du Schluckgeräusche wahrnehmen oder tut sich im Magen schon was? Was macht der Apfel mit deiner inneren Geräuschwahrnehmung?
Mache so weiter, bis du zumindest eine Hälfte gegessen hast und iss den restlichen Apfel dann wie gewohnt. Merkst du einen Unterschied? Beobachte, ob du deine nächste Mahlzeit ebenfalls achtsamer einnimmst. Wiederhole diese Übung mehrmals pro Woche und beobachte, wie sich das auf dein Leben auswirkt. Viel Spaß und Freude damit
Achtsamkeit im Alltag
Abschließend sind hier noch ein paar Tipps für den Alltag, die du ganz schnell und einfach durchführen kannst. Denn du kannst die gleiche Übung auch mit Gegenständen, Fotos, Bilder oder Momenten machen. Baue mehr bewusst gelebte Momente in den Alltag ein. Betrachte ein Plakat auf der Straße bewusst und mit anderen Augen.
Beobachten von Menschenströmen im Freien: Beobachte bewusst den Strom der Menschen. Wie nimmst du Bewegung wahr? Was verändert sich, wenn du dich nur auf die Bewegungen konzentrierts und was, wenn du dich auf Farben oder Formen konzentrierst?
Beobachten von Gegenständen im Büro oder in anderen Alltagssituationen: Nimm einen Gegenstand in die Hand und versuche die Übung wie mit dem Apfel zu wiederholen. Natürlich bis auf das Finale mit dem Abbeißen und Schmecken. Gerade dieses Ritual kann dich im Alltag sehr beruhigen. Es holt dich blitzschnell aus stressigen Alltagssituation heraus und bringt dich in den Moment zurück. Starke Gefühle werden schwächer und Cortisol (das Stresshormon) sink wieder ab.
Beobachten von Natur: Nimm zum Beispiel den Himmel mit seinen Gesamteindrücken wahr. Welche Farben hat er heute? Wie verändern sich dadurch die Farben in der Umgebung? Oder nimm einen speziellen Baum war. Wie sehen die Blätter heute aus? Wie hört es sich an, wenn der Wind durch die Baumkrone fährt? Lass jeden Moment und jeden Eindruck auf dich wirken.
Reflexion: Wie ging es dir dabei?
Wenn es die Zeit zulässt, kannst du dir ein Reflexionsritual zu eigen machen. Du kannst schriftlich oder gedanklich reflektieren. Je nachdem welcher Typ du bist. Wichtig ist nur, dass du es bewusst machst und dir einige Momente Zeit für diese Fragen nimmst:
- Wie hat es sich angefühlt, den Apfel so bewusst zu essen?
- Hat er anders geschmeckt als sonst – intensiver, milder oder vielleicht enttäuschend?
- Sind deine Gedanken zwischendurch abgeschweift?
All das ist völlig normal und ganz viele andere Geschehnisse sind ganz normal.
Es geht nicht darum, „perfekt“ zu essen, sondern aufmerksam zu sein und dich selbst achtsam wahrzunehmen. Nimm alles an, was da ist und was war. Lass alles sein. Alles ist gut (genug). Begegne allem, was auftaucht, mit Freundlichkeit und ohne Bewertung. Du bist nur stiller Beobachter / stille Beobachterin deiner Gefühle, deiner Wahrnehmung und deiner Eindrücke. Du bist NICHT deine Gefühle, deine Wahrnehmung oder deine Eindrücke. All das sind nur Objekte DEINER Beobachtung.
